Frage: Hallo, sagt mal kurz – wer seid ihr?

Antwort: Hm, wir sind eine vier-, manchmal fünfköpfige Familie, die seit.. Moment.. ich denke, man kann schon sagen, die seit ein paar Jahren hier lebt (lacht). Ich würde uns trotzdem noch als, das heißt natürlich, ohne uns abgrenzen zu wollen, als „Neu-Friedrichsauer“ bezeichnen.

F: Und das heißt? Wo kommt ihr her?

A: Aus Weimar, Thüringen. Kennt man ja. Kleine, aufgeräumte Stadt – und viele Touristen. Also klar – Uni, Theater, Kino, Bibliothek, Schwimmbad, da gibt es viele Dinge, die wirklich schön sind, weshalb man da gut leben kann.

F: Wieso seid ihr aus Weimar weggegangen?

A: Naja, das hatte verschiedene Gründe. Zunächst einmal, wir haben in einer Art Drei-Generationen-Haus gelebt, das heißt also Großeltern, Eltern, Kinder alle zusammen unter einem Dach. Das war toll. Meistens. (lacht) Aber es ergeben sich gewisse, ähm, Schwierigkeiten. Wenn man die lösen kann, dann ist es gut. Wenn nicht, nun… Ich will das niemenadem ausreden, früher war das ja so üblich, und ich finde es immer toll, wenn jemand das heutzutage versucht. Also, jedenfalls haben wir uns irgendwann umgesehen nach einen schönen Hof irgendwo auf dem Land.

F: Und die anderen Gründe?

A: Ja, was ich eben gesagt habe – über Bibliothek, Kino und so weiter – wir hatten sogar ein Bürgerradio, da habe ich jahrelang mitgemacht – irgendwann haben wir festgestellt, das ist zwar toll, daß man das alles direkt vor der Haustür hat, aber wir sind da gar nicht mehr viel hingegangen. Wir wollten’s etwas ruhiger. Eine neue Heimat.

F: Wieso Friedrichsaue?

A: Ja, das werden werden wir oft gefragt! Ich frage zurück: Warum nicht!?

F: Sag uns mehr.

A: Wieviel Zeit hast du? (lacht) Nein, es war vor allem wiederum die Familie, was uns hergebracht hat. Die Familie meiner Frau, das ist nicht weit von hier. Und ich habe immer gesagt, ich möchte, wenn ich mal nochmal umziehen muß, irgendwo hin, wo es Wasser gibt. Ein Fluß, ein See, sowas. Das war nicht so unser Wunsch-Hof unserer Träume, zumindest von außen nicht, aber dann war da diese Anzeige mit dem „unverbaubaren Blick auf den Concordia-See“ im Text – da hab ich gesagt: „Komm, das kucken wir uns mal an!“

F: Nur Liebe auf den zweiten Blick? Was sagt das Gefühl dazu?

A: Das soll’s geben (lacht). Ich habe da meine Erfahrungen gemacht, mit Neuanfängen…

F: Und jetzt seid ihr hier. Vermisst ihr etwas?

A: Wie ich schon gesagt habe: erstaunlich wenig. Am wenigsten die Hauptverkehrsstraße und ihre ewigen Sirenen. Aber die alten Freunde, ja, die sieht man nicht mehr so oft. Aber um so schöner ist es, wenn wir Besuch bekommen. Und neue Freundschaften entstehen. Und Quedlinburg zum Beispiel ist nicht weit, und der Harz. Baden, Wandern, Arzt, Kita, Schule et cetera, alles da!

F: Wer war vor euch hier? Habt ihr noch Kontakt?

A: Hin und wieder ja, das ist schön. Das war nicht so: „Hier sind die Schlüssel und laßt uns dann bitte in Ruhe.“ Unsere Vorgänger haben auch einen großen Schritt gewagt – hinaus in die Welt. Und die Seßhaftigkeit aufgegeben. Nun, Corona hat viel verändert, in den Vorstellungen der Menschen, im Kontaktverhalten, in ihren Wünschen und Zielen, in ihrer Lebensweise. Kann man das so sagen? Als.. als wir das erste mal hier waren, da stand hier ein riesiges Wohnmobil in der Durchfahrt und über den Hof verteilt. Noch unfertig, aber man konnte sehen, was es werden soll. Und irgendwie sind wir uns ziemlich schnell einig geworden. Es ist ist gut, wenn die Chemie stimmt. Und man tauscht sich aus, ja.

F: Was wißt ihr über euren Hof?

A: Es ist spannend, nach der Geschichte des Hauses, seiner vorherigen Bewohner, nach den Erbauern zu fragen. Manchmal erfährt man da richtig viel! Oft sogar was, wonach man garnicht gefragt hat! (lacht) Das ist spanndend! (denkt nach) Es ist toll, die verschiedenen Spuren zu sehen, die die anderen hinterlassen haben. Manches ist kurios. Das würde man, ähm, selbst nicht so machen! (lacht) Also, manches, was man vorfindet ist toll, das bleibt dann so, anderes machen wir, naja anders. Also so, wie wir gerne leben wollen. Man fügt seine ganz eigenen Spuren noch hinzu. Es verdichtet sich, es wird schöner. Aber es ist schon so viel da!

F: Du bist Goldschmied. Es ist nicht gerade die Münchner Maximilianstraße, wo du deine Werkstatt hast..

A: Das stimmt. Aber ich lebe nicht vom Verkauf hier vor Ort. Ich hatte früher einen eigenen Laden. Aber ich habe auch damals hauptsächlich für Galerien und Schmuckläden hergestellt. Ich meine, ich mache den schönen Schmuck, andere verstehen sich besser aufs Verkaufen. Win-win (lacht) Und dann ist da natürlich meine Frau Sarah, ohne die ginge es gar nicht! Man muß sich ergänzen.

F: Goldschmied. Ein ungewöhnlicher Beruf. Zumindest auf dem Land. Anderswo wurden nachts schon ganze Gartenzäune abmontiert..

A: Oh, na klar, sicher versteckt man irgendwo eine Anlage in seiner Werkstatt. (sieht sich um) Nicht verraten.. nein, ist logisch. Aber es ist nicht wirklich so, daß ich großartig was in meiner Werkstatt hätte, was, ähm, interessant wäre. Also Goldbarren im Safe oder sowas, nein, nein, das wirst du hier nicht finden. Es ist – ich habe meine Musterstücke hier, ja, aber meistens macht man sowas aus unedlerem Marerial. Sieht-nur-so-aus-wie.., ja? Und sowas hat dann auch rein ideellen Wert, keinen materiellen. Nicht verkäuflich, nur zum zeigen! (lacht) Also, Friedrichsaue ist ein kleines Dorf, da kuckt schon jeder nach dem anderen – ich meine, im positiven Sinne. Aber es stimmt natürlich, ich stehe überall mit meiner Adresse im Internet, da könnte mancher von irgendwo her auf die Idee kommen. Und das hier (sieht sich wieder um) ist nicht Fort Knox. Aber nein, ehrlich, es lohnt sicht nicht. (lacht) Meine Frau ist Lehrerin, einer der wichtigsten Berufe überhaupt! Das nächste Interview bitte mit ihr!

F: Was gefällt euch an Friedrichsaue?

A: (denkt nach) Ich erzähle gerne, wie ich mit meinen Weimar-Kulturstadt-Allüren hier angekommen bin.. Ein bisschen was mitbringen, von dem, was wir da zurückgelassen haben. Nicht gleich ein neues „Wacken“ oder ein zweites „Stelzen“, aber sowas in der Art hab ich mir ausgemalt. Und dann habe ich gesehen – es ist ja alles da! Nur anders! Es ist anders, ja, aber darum ist es ja um kein Stück schlechter! Es gibt.. manche haben ja was gegen die angeblich so deutsche „Vereinsmeierei“. Aber such mal ein Dorf, wo es drei aktive.. sehr aktive Vereine gibt! Auch mit jungen Leuten. Und eine Feuerwehr! Es ist großartig, das alles zu entdecken. Da mit hineinzuwachsen, und plötzlich ein Teil zu sein von denen, die anderen wieder erklären können, wie Landtechnik vor 100 Jahren funktioniert hat. Das weiß man hier. Das wußte ich alles nicht. Also, man kauft sein Brot beim Bäcker, aber weiß man, was davor alles passiert?

F: Das Dorf hat Zukunft?

A: Auf jeden Fall! Ich sagte ja, vor allem Corona, auch was gerade in der Ukraine passiert.. vieles verändert sich gerade, manches ist ungewiss. Menschen suchen Sicherheit im Vertrauten. Die nächste Generation will es immer besser machen als die vorherige – oder einfach nur anders. Und die übernächste kommt wieder zurück, nachdem jahrelang alle nur in die Stadt wollten. Ich denke, wir werden es uns bald nicht mehr leisten können, immer mehr Landschaft zuzubauen, und dabei die gebauten Dörfer sterben zu lassen. (denkt nach) Inzwischen sind wir auch soweit.. auch die Kinder sind soweit, daß wir sie von der Leine lassen. Wenn nach und nach Spielfreundschaften entstehen, wenn man sich vor’s Tor setzen kann und sieht, wie der Kleinste auf dem Dreirad davonfährt, und man macht sich nicht mehr ganz so viel Sorgen dabei. In der Stadt nicht so ohne Weiteres möglich. Das hat.. das ist schon ein bisschen „Bullerbü“.

F: Was habt ihr noch vor?

A. Bauen, bauen, bauen (lacht) Wir sind in ein, ähm, recht unfertiges Haus gezogen. Da ist noch viel zu tun. Hinter dem Haus ist der große Hof, dann die Scheune (hält sich die Augen zu) und dahinter der Garten. Habe ich hinten am Zaun was gepflanzt, dann muß ich als nächstes ganz nach vorne und das Tor reparieren. Irgendwann kann ich hinten wieder anfangen, die Hecke neu anzupflangen, weil ich komplett vergessen hab, die kleinen Dinger zu gießen. Und daß die Lütten hier groß werden. Dürfen. Bestenfalls relativ unbeschwert! (lacht) Und vielleicht doch irgendwann mal ein Hof-Fest mit Musik, Theater, Flohmarkt, meinem Schmuck und so weiter.

F: Viele schreiben einen Blog, wenn sie sich auf ein solches Projekt einlassen.

A: Ich.. wir haben darüber nachgedacht – braucht man das? Muß man wirklich immer alle an allem teilhaben lassen? Aber, ja, wir haben bei der App „Telegram“ einen Kanal; Kanal ja?, so heißt das glaub‘ ich. Also, da kann man immer mal schauen, was sich bei uns so verändert. Aber wir haben uns darauf geeinigt, unser Leben hier nur in Stilleben zu veröffentlichen, ohne uns selbst in den Vordergrund zu spielen. Der Hammer, der noch im Gras liegt, nachdem endlich irgendwas Großes fertig geworden ist.. sowas. Natürlich will man auch ein bisschen Rückmeldung, Anerkennung bekommen, wenn man meint, was Großes geleistet zu haben. Und manchmal ist es das gar nicht. In den Augen anderer, nicht wahr? Lustig ist auch die Google-Bilder von oben sich immer mal anzuschauen – also, wie sich alles verändert. Was quasi jeder von überall sehen kann. Aus dem Weltraum…

F: Die Adresse ist? Wo kann man euch sehen?

A: Ach ja, wie gesagt, nur bei Telegram: t.me/friedrichsaue

F: Hast Du ein Schlußwort?

A: Ja! Kauft Schmuck von Amelang&Lietz! Er ist sehr schön. (lacht)