Auszug aus dem Handbuche des Regierungsbezirkes Magdeburg vom Jahre 1842

Friedrichsaue (Ld. – und Stg. Quedlinburg)

Kirchdorf, 2 M. nordöstlich v. Quedlinburg, 2 M. v. Aschersleben u. 6 ½ M. v. Magdeburg: eine evang. Kirche, filia von Schadeleben, ein Küster- und Schulhaus mit 1 Lehrer, 48 Wohnh., 230 ev., und 1 kath. (nach Hedersleben eingepf.) Einwohner, 1 Freisassengut, 12 Koss., 33 Hausbesitzer, 13 Einlieger und 2 Krüge. Die Feldmark enthält 188 Mrg. Äcker 2. Kl., 92 Mrg. 3. Kl., 255 Mrg. Wiesen 2. Kl., 21 Mrg. Gärten u. 5 Mrg. Anger

(385 Thlr. Gr., 130 ½ Thlr. Kl. u. 10 Thlr. Gew. St.)

Die Einwohner treiben vornämlich Flachsbau. Der früher geleistete Naturalzehnt ist in eine Geldrente verwandelt. Patron und Gerichtsherr ist der Staat. Das Dorf ist in der Mitte des vorigen Jahrhunderts am urbar gemachten Gatersleber See angelegt.

(1800 – 158 u. 1878 210 Einwohner)

Friedrichsaue wurde im Jahre 1753 von Friedrich dem Großen um das frühere Klostergut Seeleben angelegt. Die Urkunde lautet:

Wir, zu dero Kriegs- u. Domänen- Kammer des Fürstenthums Halberstadt, verordnete Präsident, Director, Ober- Forstmeister u. Räthe fügen hiermit zu wissen: Demnach Allerhöchst gedachte seine Königl. Majestät allergnädigst resolvieret, bei Seeleben ein neues Dorf unter dem Namen Friedrichsaue anlegen und mit Ausländern dergestalt besetzen zu lassen, daß daselbst ein Ackermann, sechs Kossathen und daneben tüchtige Wollspinner etablieret werden sollen etr. [et cetera]

Als Ackermann wird der Ausländer Johann Matthias Mund angenommen. Derselbe muß für sämtliche Gebäude, Wohnhaus, Scheune und Stallungen 600 Thlr. bezahlen. Außerdem werden ihm 8 Hufen Land , 2 Hufen Wiesenwachs und 1 Morgen Garten erbenzinsweise überlassen. (Berlin, d. 9. Oct. 1753)

Ferner erhält er die Freiheit von Viehsteuer und Einquartierung, insbesondere auch die Accise – Freiheit von 24 Tonnen Gaterslebisches Amts – Bier, welches ihm gegen Bezahlung verabfolgt werden muß, jedoch dergestalt, daß er nicht befugt sein soll, daß Allergeringste von diesem steuerfreien Getränke an jemand anders zu überlassen, oder zu verkaufen, sondern bei Verlust dieser ihm verliehenen Trank – Steuer – Freiheit nicht mehr, als er zu der ihm beigelegten Länderei erforderlichen gebraucht, frei genießen soll. Außerdem bekommt er daß Recht, 4 Stück melkende Kühe, 60 Stück Schafe auf die Schadelebische Feldflur, und wohin dortiges Amtsvieh zu treiben berechtigt ist, mit der Kossatenvieh treiben zu lassen, jedoch muß das güstevieh bis Mitte Oktober im Stalle behalten werden.

Dieser See, an welchem Seeleben lag, war früher ein Bruch. Im Jahre 1446 wird er indes durch den Bischof Burchard überflutet. Die Schadeleber Handschrift sagt: Burchard habe bei einem Friedensschlusse einen See verloren; infolgedessen habe es sowohl ihm, als seinen Unterthanen für die Fastenzeit an Fischen gefehlt. Um diesem Mangel zu begegnen, habe er nun den See unter Wasser gesetzt. Die Überflutung des Sees ruft natürlich auch mannigfache Klagen und Einsprachen hervor. Durch Errichtung eines Dammes bei Gatersleben und Hineinleitung der Selke.

„Die Wiesen und andere schöne Orte“ sind dadurch überschwemmt worden und den Eigenthümern verloren gegangen. Die wichtigste Einsprache ist die des Klosters Gernrode, daß in Frose und Nachterstedt viele Besitzungen hatte. Der Prozeß dauerte „bei 24 Jahre“. Unter dem 21. Dez. 1510 schließt die Gernroder Äbtissin Elisabeth von Weida einen Vergleich, indem sie das Geschehene gut heißt gegen einmalige Zahlung von 3000 guten rheinischen Gulden und jährliche Lieferung von 2 Centner Hechten oder falls solche nicht vorhanden, „vor jeden Centner 4 Gulden, auf der Fasten einen und auf den Advent den anderen Centner. Abgelassen wurde der Sen von 1703 – 1709. Nachdem im Jahre 1703 die Angelegenheit angeregt worden war, wurde den 24. Mai 1704 „auf Sr. Königl. Majestät in Preußen allergnädigste Spezialorder“ der Sen abgewogen. 1705 erging an Aschersleben der Vorschlag, an der Ablassung des Sens zu konkurrieren.

Die Stadt lehnt es ab und bekommt statt der 113 Hufen, die sie sonst darin gehabt, nun 28 Hufen. Den 24. Sept. 1709 wird der Damm bei Gatersleben durchstochen, so daß 1710 die Verteilung der Seeländerei beginnen kann. Den 29. März 1710 bekommt der Fürst von Anhalt Bernburg 138 ½ Hufe für eine Schuldforderung an die Grafschaft Tecklenberg.

Das Torfstechen hat etwa um 1770 begonnen.

Das Schulgebäude wurde im Jahre 1771 erbaut. In diesem wurden zuerst , da noch keine Kinder vorhanden, die gottesdienstlichen Handlungen abgehalten. Die jetzige Schule ist im Jahre 1874 neu erbaut. Eine Kirche hat Friedrichsaue seit 1798, in welchem Jahre sie von Sr. Majestät dem König von Preußen erbaut wurde. Die Kosten, welche der Staat trug, betrugen 800 Thlr., und die benachbarten Königl. Domänen Schadeleben u. Gatersleben hatten die dazu nötigen Spanndienste zu leisten. Der Kirchenbau fing an im Jahre 1779 und wurde 1800 vollendet und am 24. August desselben Jahres, am Tage Bartholomäi, eingeweiht; sie erhielt darum den Namen Bartholomäi.

Die erste Betglocke, 1 Centner 11 Pfd. schwer, befand sich zuerst auf dem Strohdache des Schulhauses. 1781 bekam die Schule ein Ziegeldach, und die Glocke wurde in einem kleinen Glockenturme, abendwärts der Schule, aufgehängt. 1799 bekam sie ihren Platz auf dem Turm. Diese Glocke ist im Jahre 1866 gesprungen und in dem selben Jahre von W. Engelcke, Halberstadt, wieder gegossen.

Im Jahre 1911 sprang auch diese Glocke wieder. Der Neuguß wurde auf Kosten der Gemeinde von Gebr. Schilling in Apolda ausgeführt. Die neue Glocke kostet, nach Abzug des Preises für die alte Glocke, 137,80 M und wiegt 1Ctr. 68 Pfd.

Eine Orgel bekam die Kirche erst im Jahre 1808. Sie ist von Karl von Knoblauch, Halle, gebaut und kostet 400 Thlr.

Da sich im Orte ein Rittergut, das sogenannte Rätzell`sche Gut (das ehemalige Seeleben) befindet, welcher es im Jahre 1886 von den Erben des verstorbenen von Wulffen käuflich erworben hat, so ist erklärlich, daß der Ort zuerst auch von vielen Arbeitern bewohnt wurde. Mit der Zeit änderte sich aber das Verhältnis. Da bei der Gründung jedes Haus mit etwas Acker bedacht worden war, ( die Kossethen mit 15 Morgen und die Wollspinner mit 3 Morgen) so betrieben sie nach und nach selbst Ackerbau, so daß jetzt die Bevölkerung aus fast lauter Ackerleuten besteht. Arbeiter wohnen nur noch ( mit einigen Ausnahmen ) in den Häusern des Herrn Amtmann Rätzell.

Gegenwärtig – 1914 – beträgt die Einwohnerzahl 341. Sie sind, mit Ausnahmen von einem, alle evangelisch. Der größte Teil derselben beschäftigt sich, wie schon gesagt, mit Ackerbau, andere finden lohnende Arbeit in der seit 1846 bestehenden Zuckerfabrik in Gatersleben, andere in der Nachterstedter Braunkohlengrube und noch andere an der seit 1856 hier durchführenden Chaussee. Der Verkehr ist für die Größe des Ortes bedeutend; der Wohlstand der Bewohner ziemlich groß. Auf der östlichen Seite des Dorfes, nach Schadeleben zu, südlich von der Schule, lagen früher 10 Mrg. Acker, (nach dem Dorfe Brunsdorf, welches hier gestanden haben soll, die Brunsdorfe[r] Wiese genannt) welche zur Domäne Haus – Neindorf gehörten. Weil sie aber von hier aus nicht gut bewirtschaftet werden konnten, waren sie schon jahrelang an hiesige Einwohner verpachtet. Als nun im Jahre 1881 die Pachtzeit wieder abgelaufen war, wurde man in der Gemeinde darüber schlüssig, den Acker zu kaufen und zu Baustellen zu verwenden, weil solche hier weiter nicht zu haben waren. Nun wurde [man] darüber bei der Königl. Regierung zu Magdeburg vorstellig, diese gab es zu und ließ ihn durch den Königl. Rentmeister Sellig, Quedlinburg, meistbietend verkaufen. Ein Morgen wurde mit 2000 M. bezahlt, während die anderen etwas billiger waren.

Auf diesen Grundstücken haben sich angebaut: Andr. Arend, Friedrich und Gustav Engel, Wilhelm Wilke und Karl Stock.

Von den umstehend genannten Orte Brunsdorf erzählt uns eine alte Chronik folgendes:

Lange vor dem 30 j. Kriege, so lauten die Traditionen der ältesten Vorfahren der jetzigen Bewohner von Friedrichsaue, stand hier, mehr östlich von dem jetzigen Dorfe, im von Wenden bewohnter Ort, namens Brunsdorf; darum jetzt noch die Brunsdorfer Wiese und nördlich der Brunsdorfer Graseweg.

Dieses Brunsdorf soll aber im 30 j. Kriege von den Schweden total zerstört worden sein. Nur ein Haus, welches mehr westlich am See gestanden hat, ist aus der Zeit stehen geblieben unter dem Namen Seeburg (Seeleben), der jetzige sogenannte v. Wulffen´sche Freisassenhof, dem Herrn von Wulffen mit dem Rittergute zu Haus – Neindorf gehörig, und hat seit alter Zeit verschiedene Besitzer gehabt, der erste Besitzer kaufte diesen Hof von dem Könige von Preußen im Jahre 1753 für 600 Thlr. (Seite 2) u. v. Wulffen für 21500 Thlr. Es gehören dazu 2 Hufen Seeland und 8 Hufen Feldacker. Die Entstehung des Hofes ist nicht zu erfahren, ist also wahrscheinlich vor dem See erbaut worden (mit Bleistift hinzugesetzt: 1741 war das Gut im Besitze des Amtsrat Rudloff – Gatersleb. Der hier auch gewohnt hat.)

Im Jahre 1753 hat der König Fr. II. die ersten Bewohner von Friedrichsaue aus der Rheinpfalz kommen lassen, und sind für diese zuerst 20 Häuser gebaut, nämlich 10 Häuser auf der Oberreihe und 10 auf der Unterreihe. In den folgenden Jahren, bis 1764 sind bis 43 Häuser gebaut und den sogenannten Klein – Kosseten 3 ½ Morgen, den Groß – Kosseten 11 ½ Morgen Seeland auf Erbenzins, auch den Klein – Kosseten einen ½ Morg., den Groß – Kosseten 1 Mrg. Gartenland käuflich überwiesen. Nach dieser Zeit sind noch bis z. J. 1873 – 9 Häuser gebaut, so daß in dem Jahre das Dorf aus 52 Feuerstellen bestand, jetzt (1914) hat das Dorf 64 Feuerstellen.

Die letzten gebauten Häuser erhielten kein Seeland, hatten deshalb auch keinen Erbenzins zu entrichten.

1903. Die Gemeinde besteht am 27. Juli 150 Jahre. Es wurde ein zweitägiges Fest veranstaltet. Auf Veranlassung des Pastors Fischer wurde durch eine Sammlung im Orte[,] welche 350 M. ergab, die Kirchenheizung gestiftet. Der Verlauf des Jubelfestes wird geschildert von Pastor Fischer in der Schrift: „ Die Friedrichsauer Festtage“ ; welche sich in der Gemeinde – Registratur befindet.

Der Sommer dieses Jahres war sehr heiß und trocken.

Noch größer war die Dürre des Jahres 1904.

1905. Wurde die Dorflage vergrößert. Das Rätzell`sche Arbeiterhaus: Chausseestr. 3., das Kossatenhaus Chausseestr. 4. von Alb. Peileke, die Ackerstücke östlich davon der Gatersleber Weg, vom Dorfeingang bis an die Kreischaussee, eben so das Anpflanzungsland vor den Kossatengrundstücken daselbst. Alle diese Grundstücke[,] welche bisher noch zu Hausneindorfgehörten, kommen an Friedrichsauer Gebiet. Das Schulzimmer mußte vergrößert werden. Die Zahl der Kinder war auf 72 gestiegen. Der neue Teil, der Giebel nach Süden wurde angebaut. Ausgeführt von Zimmermeister Hartmann – Gatersleben. Die Gesamtkosten betrugen: 1250,- M.

1908

Die Chausseestraße (Gatersleber Weg) von Horenburg bis an die Chaussee wurde gepflastert. Die Steine bezogen von B. Preisser – Kleinsteinberg i. Sachsen, der Sand angefahren von Amtmann Rätzell, aus dessen Kiesgrube in Hausneindorf, die Pflasterung ausgeführt von W. Gronau – Hedersleben. Die Gesamtkosten betrugen 2684,- Mark[.,] welche durch eine Anleihe 1500,- M. zu 3 ½ Prozent vom Kossat Ludwig Stock, gedeckt wurden.

1910 Pastor Fischer in Schadeleben, der Seelsorger der Gemeinde, seit 24 Jahren im Dienst, tritt in den Ruhestand; predigt zum letzten mal am Erntedankfest – Sonntage. Sein Nachfolger ist Pastor Benike aus Kröbeln b. Liebenwerda.

Schulze Rudolf Stock, seit 12 Jahren, 25. Mai 1898 im Amte, legt selbiges nieder. Kossat Gustav Engel, seit langen Jahren der Gem. Vertr. angehörend, wird zu dessen Nachfolger gewählt. Zum Gemeindevorstande gehören zur Zeit: Schulze G. Engel, Schöppen Heinrich Witte, Ludwig Stock. Zur Gemeindevertretung: David Peileke, Heinrich Stock, Wilh. Engel, – Friedrich Klein, Wilh. Oelgarte, Friedrich Günther, Friedrich Engel, Heinrich Krummhaar, Gust. Oelgarte.

1911. Der südliche Teil der Schulstraße von Andr. Arend bis W. Wilke wird gepflastert. Die Steine bezogen von A. Siegheim – Wildemann i. Harz. Ausgeführt von Gronau in Hedersleben. Gesamtkosten 1236 Mark. Hierzu ist eine Anleihe übernommen von Ludwig Stock 1200,- M. zu 3 ½ %.

Diese Straße wird mit der Brunnenstraße verbunden. Der halbe Morgen Schulacker neben dem Stock`schen Grundstücke wird als Baustelle an Wilh. Peileke für 1500,- M. verkauft, welcher ein Gehöft darauf erbaut. Es sind jetzt in der Gemeinde 63 Häuser vorhanden.

Das Jahr 1911 ist sehr trocken, wie es seit Menschengedenken nicht vorgekommen.

Scharfe Ostwinde, sowie starke Nachtfröste im Juni haben die Feldfrüchte, sowie das Gras der Wiesen fast ganz vernichtet. In den Seeländereien südlich vom Dorfe entstand ein großer Moorbrand; der etwa 600 Mrgen fruchtbare Wiesen in wenigen Tagen in Asche legte.

Die Ernte ist sehr gering. Roggen, Weizen u. Gerste geben 6 Centner pro Morgen Hafer nur 3 Centner. Kartoffeln konnten nicht ansetzen. Rüben sind stark von Blattläusen befallen, geben p. Morgen nur 50 Ctr. und sind auf Höhenboden ganz vertrocknet. Es kostet Weizen p. Ctr. 9,75 M. Gerste 9,50 M. Hafer 9,- M. 1Ctr. Kleie 8,- M. Kartoffeln 4,50 M.. Die Futternot im Winter ist groß. Die Hälfte Vieh ist abgeschafft; was noch vorhanden muß mit Häcksel, Spreu und Kraftfutter durchgewintert werden. Das Vieh ist sehr teuer. Eine Kuh kostet 600 – 700 M., fette Schweine 1 Ctr. 90 M..

Das Kriegsjahr 1914

Der Weltkrieg, den die deutsche Regierung nicht aufzuhalten vermochte, kommt zum Ausbruch. Am 2. August ist der erste Mobilmachungstag.

Zu Ende des Jahres 1915 wurden die Schrecken des Krieges nun erst so recht im Lande bemerkbar. Die Lebensmittel, namentlich Fleisch und Fett wurden sehr knapp u. teuer. Sämtliches Getreide wurde bereits bei der Ernte beschlagnamt durch die Staatsregierung. So wurde bei hoher Strafe verboten, Brotgetreide zu verfüttern. Brot wurde vom Bäcker nur gegen Marken verabfolgt. Die Person erhält p. Woche 4 Pfund; Kinder unter 6 Jahren die Hälfte.

1916. Hafer durfte für ein Pferd pro Tag 2 ½ Pfd. zurückbehalten, der übrige mußte an die Heeresverwaltung abgegeben werden.

Gerste war gleichfalls zur Hälfte beschlagnamt. Es war noch als ein Glück zu betrachten, daß die gesamte Ernte Getreide, Rüben u. Kartoffeln durchweg gut ausfiel. Der infolge der Absperrung des Außenhandels die der Krieg für das Deutsche Reich verursachte, alle Lebensmittel sehr knapp wurden, so mußten bei Beginn des neuen Jahres 1916 den Einwohnern weitere Einschränkungen auferlegt werden.

Der Mangel an Schlachtvieh war so groß, daß die Fleischer wochenlang nicht schlachten konnten; das vorhandene Vieh wurde im ganzen Regierungsbezirk an die Gemeinden in denen die größte Not herrschte, verteilt. Man setzte große Hoffnungen auf die neue Ernte, welche jedoch, infolge, der im Frühjahre herrschenden Dürre, nur mittelmäßig ausfiel. Das Heu war sehr gering. Bei Getreide wurden im Durchschnitt geerntet p. Morgen 12 Ctr. Auch die neue Ernte wurde wieder staatlich beschlagnahmt. Der so sehnlichst erhoffte Friede trat immer noch nicht ein. Im Juli u. August wurden auf beiden Kampffronten von unseren Feinden furchtbare Angriffe angesetzt. Namentlich aus dem Westen gelangten die schrecklichsten Nachrichten nach hier, von dem wütenden Vorgehen der Engländer daselbst, an der Somme. Aber trotz aller schweren Kämpfe kam es noch zu keiner Entscheidung. Das furchtbare Ringen nahm seinen Fortgang.

Nicht nur die Not der Lebensmittel stieg aufs Höchste, auch Kleidungsstücke, besonders Wollwaren u. Leder , wurden ungemein teuer. Ein Paar Stiefel, die in Friedenszeit 17 M kosteten, wurden jetzt mit 42 M bezahlt. Alle kupfernen Kessel im Dorfe, ebenso die Gummibereifungen der Fahrräder wurden von der Heeresverwaltung eingezogen.

1918

Im September 1918 gelangten die ersten beunruhigenden Nachrichten in die Öffentlichkeit, daß der Krieg für Deutschland ein unglückliches Ende nehmen würde. Am 9. November brach die unglückliche Revolution auf allen Fronten aus. Den Offizieren wurde der Gehorsam verweigert, an ihre Stelle traten gewählte Soldatenräte.

Ebenso schnell vollzog sich hier im Lande eine Umwälzung. Die Leiter aller Behörden wurden abgesetzt u. die Stellen von sozialdemokratischen Führern eingenommen.

Die S.P.D. war auch hier in der Mehrheit u. Wählte zum Gemeindevorsteher den Straßenmeister Karl Leideritz.

Die letzten Reste der aufgelösten Armee größtenteils Fuhrparkkolonnen sah man von der Westfront hier vorbeiziehen. Am 7. Mai 1919 ist der Lehrer Fleischhauer in Dienst getreten.

Die nun folgenden Jahre brachten nun zeitweise sehr viel Unruhe, hervorgerufen durch die Lebensmittelknappheit. Auf den Kohlengruben u. Gütern erfolgten Streiks u. Auflehnungen gegen die Besitzer u. deren Angestellte. Selbst die persönliche Sicherheit der bürgerlichen Einwohner war nicht mehr vorhanden. So wurde z. B. der Einwohner G. Loose hierselbst u. dessen Ehefrau nachts von Banditen aus Aschersleben überfallen, gefesselt u. seines Geldes sowie seiner Schlachtvorräte beraubt.

Es erfolgte noch ein Aufstand gegen die neugebildete Reichswehr. Es zogen von hier etwa 20 Mann nach Quedlinburg, mit Gewehren bewaffnet, um gegen Reichswehrsoldaten zu kämpfen, kehrten aber, sobald sie ein Maschinengewehr auf sich gerichtet sahen, im Laufschritt nach hier zurück.

1924

Noch gerade gewann die bürgerliche Partei doch wieder die Oberhand. Bei den Gemeindevertreterwahlen waren hier wieder 7 bürgerliche u. 2. Sozialdemokraten. Gemeindevorsteher wurde der Landwirt Friedrich Stock.

In den nächsten Jahren wurde die Brunnenstr. neu gepflastert, mit Schlackensteinen durch Steinsetzmeister Trannsberger – Hedersleben.

1926 verkauften die Erben des hiesigen Gutes ihren Besitz an die Siedlungsgesellschaft Sachsenland in Halle, da sie die Wirtschaft infolge zu hoher Verschuldung nicht mehr weiter führen konnten. Besitzerin war bisher Frau Amtsrat Heine – Vienenburg, Tochter des Amtmann Rätzell, (verstorben 1912).

Die zum Gute gehörigen 13 Hundert[1300] Morgen Acker wurden aufgeteilt u. verkauft. Es wurden zunächst 10 neue Bauernhöfe geschaffen. 8 Höfe mit 40 Morgen Acker, 2 mit 20 Morgen. Das Restgut 320 M. Der übrige Acker wurde von Hausneindorfer, Gatersleber u. Friedrichsauer Landwirten gekauft. Die obengenannten Neusiedlungen (40 Morg.) kosteten einschließl. Gehöft, 60000 M. bei 15000,- M. Anzahlung. Der Rest wird mit 5% auf 68 Jahre verzinst u. amortisiert.

1 Zentner Weizen oder Gerste kostete 13 – 14,- M.

„ „ Roggen 12,- M Kartoffeln 3,50 – 3,80 M

1932 Die Aufteilung des Gutes, sowie die eintretende schlechte Wirtschaftslage hatte aber zur Folge, daß Arbeitslosigkeit entstand.

In hiesigen Orte waren im Winter 1932 11 Erwerbslose, welche unterhalten werden mußten. Dieselben wurden beschäftigt mit dem Ausschlammen des Dorfteiches.

Im Frühjahr desselben Jahres wurde der Straßenteil westlich des Friedhofes mit Schlackensteinen gepflastert u. die Brücke neu gebaut.

Ausgeführt vom Siedler Julius Hinze, der gelernter Steinsetzer ist, sowie von Arbeitslosen. Die Kosten betrugen etwa 1300,- M.

Die Gutsbezirke Rittergut Rätzell und Froser Seeländereien wurden aufgelöst. Die Gemeinde erhält von Rätzell 623 Morg., von den Seeländereien: 400 Morgen. Der Flurbezirk wurde dadurch bedeutend vergrößert.

Aus dem Jahre 1928 sei noch erwähnt, daß am 15. Juli das 175 – jährige Bestehen des Ortes festlich begangen wurde. Es wurde am Vorabend ein Fackelzug veranstaltet. Am Sonntag den 15. war ein historischer Festzug zusammengestellt. Auf dem ersten Festwagen war die Gründung von Brunsdorf durch germanische Sachsen, sowie die Zerstörung durch Landsknechte im 14. Jahrhundert dargestellt. Auf dem zweiten Festwagen befand sich eine Siedler – Kleinbauern – und Flachsspinner – Gruppe, wie dieselben etwa bei Gründung des Dorfes 1753 hierhergezogen sind. Als Ehrengäste u. a. anwesend: Der Landrat aus Quedlinburg, der Amtsvorsteher aus Nachterstedt, sowie der Superintendent Schwaten aus Aschersleben, welcher die Festrede hielt. Die zur Feier herausgegebene Festschrift war von dem hiesigen Lehrer F. Fleischhauer verfaßt worden.

Der Boden unserer Heimat war in der mittleren Steinzeit zeitweilig und seit der jüngeren Steinzeit ununterbrochen besiedelt. Das beweisen die zahlreichen Funde in unserer Flur. Aus letzter Zeit seien erwähnt: am 6.2.1932 ein Steinkistengrab am Galgenberg, aber südlich der Chaussee in Ed.[Eduard] Engel – Wittes Acker.

Inhalt: Ein kleines schmuckloses Beigefäß aus der älteren Bronzezeit.

Im September 1932 finden auf dem Galgenberg zwei planmäßige Grabungen unter Leitung von Museumsdirektor Schirwitz aus Quedlinburg statt. Es werden zwei Erbbegräbnisse freigelegt. Größe etwa 3 x 3 m. Inhalt zahlreiche Knochenreste, manche Schädel noch ziemlich gut erhalten, Scherben von Beigefäßen, ein durchbohrtes Amulett aus Schiefer und ein kultisches Gefäß, eine Trommel Berenburger Typ von ganz hervorragender Schönheit.

In älterer Zeit sind in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch Pastor Becker aus Wilsleben zahlreiche Urnen auf dem Galgenberge geborgen worden, und auch 1908 und 1923 wurden sehr gut erhaltene Stücke gefunden. Sie stammen aus der jg. Steinzeit, aus der Bronzezeit und der älteren Eisenzeit. Jahrtausendelang ist so der Galgenberg vorgeschichtliche Begräbnisstätte gewesen. In christlicher Zeit wurde er dann zur Richtstätte gemacht und blieb es wohl bis ins 14. Jahrhdt. hinein. Der Bergrücken östlich des Galgenberges war mit den vorgeschichtlichen Siedlungen bestanden. Diese lagen aber auch in der jetzigen Ortslage und östlich davon, was durch zahlreiche Funde bei den Arbeiten an der Wasserleitung bewiesen ist. Man fand dabei Wohngruben und Gräber in beträchtlicher Zahl. Ein Hockengrab in bester Erhaltung fanden spielende Schulkinder 1937 in Erich Krentels Sandgrube westlich des Grafenangers. Es stammte aus den Anfängen der Bronzezeit und wies als Besonderheit zwei bronzene Ohrringe in noch sehr einfacher Arbeit auf.

Im Jahre 1934 ist die Wasserknappheit in unserem Orte geradezu katastrophal. Das zeigt sich besonders, als in den Morgenstunden des 10.4.1934 der Kuhstall auf dem Horenburgschen Gute in Flammen steht. Sogar aus Schadeleben mußte in Kaupen Wasser hergeholt werden, und trotzdem war bei dem heftigen Sturme zeitweilig die ganze östliche Hälfte des Dorfes in Gefahr. Die meisten Brunnen im Dorfe waren versiegt, und zwar infolge der dauernd vorrückenden Grubenbetriebe in Nachterstedt und Königsaue. Die Anlage einer Wasserleitung war unumgänglich notwendig geworden. Da die Errichtung eines eigenen Wasserwerkes infolge der hohen Kosten nicht möglich war, wurde das Dorf an das Wasserwerk Schadeleben angeschlossen.

Die Verhandlungen mit Schadeleben waren sehr schwierig und wurden nur durch das energische Eingreifen des Landrats Naudè zum erfolgreichen Abschluß gebracht. Die Gesamtkosten betrugen 28911 Mk. Davon wurden 14000 Mk je zur Hälfte von den beiden Kohlengruben getragen, 5000 Mk aus Gemeindemitteln genommen, 3000 Mk kamen aus dem Arbeitsbeschaffungsfonds des Reiches, 3000 Mk gab die Landfeuersozietät und der Rest von 4 hiesigen Einwohnern (Frdr. Stock, Wilhelm Peileke, Willy Wilke und Eduard Witte ) der Gemeinde geliehen. Die Erdarbeiten wurden von der Firma Franz Mertzky in Nachterstedt, die Herstellung der Rohrleitung von den Schmiedemeistern Fricke, hier, Stein und Hermann, Schadeleben, ausgeführt. Die Oberaufsicht hatte das Kulturbauamt in Magdeburg. Es erhielt dafür eine Entschädigung von 750,- Mk. Am 1.5.1935 konnte das erste Wasser aus einem Hydranten abgegeben werden.

Mitte 1934 zählt unsere Gemeinde 320 Einwohner. Sie bildet eine Zelle der Ortsgruppe Gatersleben der NSDAP. Der erste Zellenleiter war der Bauer Pg. Gustav Westphal. Als er 1935 eine Siedlung in Schackenthal übernimmt, wird er in einer öffentlichen Versammlung am 27.6.1935 durch Kreisleiter Ay verabschiedet. Sein Nachfolger wird der Ortsbauernführer, Pg. Ed. Engel – Witte.

Pastor Beucke starb am 26.1.1933. Nach seinem Tode war die Pfarrstelle zunächst unbesetzt, wurde dann kurze Zeit von Pastor Wittkopp verwaltet, bis sie dann 1935 von Pastor Glück aus Quedlinburg übernommen wurde. Aber auch dieser ging bereits im Januar 1938 nach Größt bei Merseburg. Seitdem ist sie wieder unbesetzt.

In den Jahren 1929 bis 1931 fand die Umlegung der alten Gemarkung und Ortslage von Friedrichsaue statt. Die alte Feldflur, wie sie Friedrichsaue 1753 erhalten hatte, bestand in den Vorländern westlich des Dorfes mit dem Seegelände bis zum Hauptseegraben, das Seegelände südlich des Dorfes und die Vorländer östlich des Dorfes mit dem Seegelände bis zum Hauptseegraben.

Der Zweck der Sache war, die vereinzelten Acker oder Wiesen Parzellen der Einwohner, für jeden Besitzer zusammen zu legen, damit größere Parzellen gebildet wurden und somit die Bewirtschaftung erleichtert wurde. Die bebauten Grundstücke in der Gemeinde waren unter ungetrennte Hofräume im Grundbuch eingetragen. Nun wurde in der Ortslage jedes Grundstück mit Garten vermessen und mit Grenzsteine versehen. Auch der unter die Gärten der Brunnenstraße, von Osten nach Westen führende Weg, wurde gelegt und abgesteint. Die Kirche, der Friedhof, der Kirchplatz und der Teich sind ebenfalls vermessen und mit Grenzsteinen versehen. Die Umlegung wurde Ausgeführt von dem Kulturamt in Merseburg. Die Abordnung der Gemeine war, Ludwig Peileke, Moritz Globig und Heinrich Lüders. Der Umlegungsrechnungsführer war Willy Schmidt. Vermessungsarbeiter waren Wilhelm Lehmann und Hermann Brune. Vermessungsrat Reuchard aus Merseburg war Leiter der Umlegung.

Ende August 1939 begann der Krieg mit Polen, nachdem alle Versuche der deutschen Reichsregierung, den Frieden zu erhalten, gescheitert waren. Unmittelbar darauf erklärten die Westmächte: Frankreich, England, Belgien und Holland an Deutschland den Krieg. Gleich zu Beginn des Krieges erfolgte die Lebensmittelzuteilung durch Karten. Ebenso die Zuteilung der Kleider und Schuhe.

Im Mai 1940 begann die Offensive gegen die Westmächte. Belgien, Holland u. Frankreich wurden mit voller Gewalt angegriffen u. in wenigen Wochen besiegt. Zu einer Beschießung der französischen Hauptstadt kam es jedoch nicht, da Frankreich bereits vorher ein Friedensangebot machte. Die eroberten beleg., französischen u. holländischen Gebiete wurden nun von deutschen Truppen besetzt. Noch nicht besiegt war jedoch das feindliche England. Die britische Insel wurde nun von der deutschen Luftflotte u. von deutschen U.Booten angegriffen. Aber auch die engl. Flugzeugflotte machte vom Juli ab Angriffe gegen Deutschland. Um Schadenfeuer zu verhüten, welche durch die abgeworfenen Brandbomben entstehen konnten, wurden Nachtwachen eingerichtet. In hellen Mondscheinnächten erschienen fast regelmäßig feindliche Flugzeuge über unserem Heimatgelände. In benachbarten Feldmarken wurden auch Bomben abgeworfen ohne jedoch Schaden anzurichten. Durch die, bei Nachterstedt aufgestellten Flak – Artillerie, wurden die Flugzeuge meistens vertrieben.

Im Jahr 1944 waren die Engländer und Amerikaner in Frankreich gelandet; denn der Atlantikwall hatte den Ansturm nicht gehalten. Da nun die Feinde in Frankreich gegen Deutschland weiter vordrangen, wurde das Rheinland evakuiert. So kamen auch im Dezember 1944 aus Homberg und Duisburg viel Evakuierte in unser Dorf. Der Feind drang aber immer weiter vor, gingen über den Rhein und am 12. April 1945 fuhren amerikanische Panzer auf unseren Kirchplatz. Nun wurde bekanntgegeben, daß sofort alle Waffen abgegeben werden müssen. Aus jedem Hause brachte man nun die Waffen auf den Kirchplatz. Hier wurden die Waffen zerschlagen oder von den Amerikanern mitgenommen. In dem Westphalschen Grundstück wurde nun eine amerikanische Kommandantur eingerichtet und kein Dorfbewohner durfte ohne Erlaubnis den Ort verlassen.

Im Mai 1945 wurden die Amerikaner von den Engländern abgelöst. Die Tätigkeit der Dorfbewohner wurde durch die Besatzung nicht gestört. Am 1. Juli 1945 traf dann die russische Besatzung hier ein. Die hier im Dorfe tätig gewesenen polnischen Arbeiter wurden von den Engländern alle mitgenommen. Aber auch von den Russen wurde die Tätigkeit der Dorfbewohner nicht gestört. Viele die zum Kriegsdienst eingezogenen Dorfbewohner wurden nach Kriegsschluß dem 8. Mai 1945 entlassen, aber viele kamen erst später und von vielen wird ein Heimkommen immer noch erhofft. In der Gemeindeverwaltung wurde von Engländern Emil Rohde als Ortsvorsteher eingesetzt. Allerdings auf Antrag der Sozialdemokratischen Partei. Der alte Gemeindevorsteher, Eduard Engel – Witte, nachdem der Gemeindevorsteher Friedrich Stock sein Amt niedergelegt, hatte vom 7.11.1942 bis im Juni 1945 sein Amt treu gewaltet. Emil Rohde war bis Sept. 1946 Gemeindevorsteher, dann wurde Reinhold Blumenberg zum Gemeindevorsteher gewählt.

Im Herbst 1946 setzte der Winter am 14. Dezember ein. Strenge Kälte bis 28 Grad und viel Schnee machten jede Feldarbeiten unmöglich. Anfang März 1947 setzte dann Tauwetter ein. Da der Frost tief in die Erde gedrungen war, konnte sich das Schneewasser nicht in die Erde einziehen, so kamen derartig große Wassermassen den Graseweg, der Wasserrenne östlich des Dorfes und überall vom Hakel her gelaufen, daß unser Dorf überschwemmt wurde. In der Schulstraße lief das Wasser ½ Meter hoch, so daß den Anliegern das Wasser in die Keller lief. Bei Otto Arpke stand das Wasser auf dem Hof und in den Ställen. Auch der Kirchplatz war überschwämmt. Die Fluten liefen in den Gassen runter der Brunnenstraße zu, so daß auch in der Brunnenstraße die Kellerlöcher und Torwege mit Mist und Schnee gegen die Fluten geschützt werden mußten. Trotzdem war bei vielen Anliegern das Wasser in die Keller gedrungen. In der See hatte sich eine große Wasserfläche gebildet, die sich erst nach längerer Zeit in das Erdreich einziehen konnte. Die Feldarbeiten begannen 1947 erst am 10. April. Der Frost und dann die große Nässe hatte die Feldarbeit unmöglich gemacht. Dann folgte eine große Trockenheit wie man sie seit langen Jahren nicht erlebt hatte. Die Heuernte fiel aus, die Getreideernte hatte nur einen geringen Ertrag zu verzeichnen, die Kartoffelernte war sehr schlecht und auch die Zuckerrübenernte hatte nur einen Ertrag von 50 – 70 Ztr. zu verzeichnen. Trotz der schlechten Ernte mußte das Ablieferungssoll an Getreide, Kartoffeln und Rüben erfüllt werden. Die Folge hiervon war, daß die Viehbestände der Bauern in einem sehr schlechten Zustand sich befanden; namentlich auch kein Heu geerntet war. Im Winter 47 zu 48 bekamen die Kühe und Ochsen nur Schnitzel und Stroh zu fressen. Hiervon war die Folge, daß die Tiere von der Knochenweiche befallen wurden, viele Tiere mußten wegen dieser Krankheit abgeschafft werden.

In der Nachkriegszeit wurde nun eine neue Bodenreform durchgeführt. Die großen Domänen, Rittergüter und alle Land- und Forstwirtschaftliche Betriebe über 100 ha wurden aufgeteilt und Neubauern übergeben mit 8 ha jede Wirtschaft.

Da in dieser Zeit alle Reichsdeutschen aus Besarabien, Ost- und Westpreußen, Schlesien, Pommern und vom Sudetengau ausgewiesen wurden, kamen auch viele in unser Dorf. Von diesen Umsiedlern wurden auch 10 Neubauern [für] die von der Schadeleber Domäne Acker erhalten hatten. Auf unsere Kernbevölkerung von 325 im Jahr 1947 hatte unsere Gemeinde 225 Umsiedler untergebracht. Die Neubauern hatten nun kein Vieh und keine Ackergerätschaften Maschinen u.s.w. Das Vieh, 1 Pferd oder Ochse als Gespannkraft und 1 Kuh bekamen sie von der Bodenreformgesellschaft, aber die Ackergeräte mußten die Altbauern ihnen leihweise zur Verfügung stellen. Auch bei der Bewirtschaftung ihrer Ackerflächen mußten die Altbauern mithelfen. Außerdem mußten alle Pferdegespanne und Traktoren Industriewerke im Harz Holz fahren. So hatte man in Stiege und Friedrichsbrunn[en] jedes Mal 1 Woche lang Holz zu fahren. Die Gespanne wurden dort untergebracht. Auch aus dem Hakel mußte Holz nach Bahnhof Hedersleben gefahren werden. Die Neubauern sollten hier in unserm Dorf bleiben, bis in Schadeleben ein Neubauernhof für sie erbaut war. Die Ausschachtungsarbeiten u.s.w. mußten die Neubauern selbst verrichten. Bis zum 1. April 1948 ist noch keine Neusiedlerstelle in Schadeleben bezogen worden. In unserer Gemeinde baut der Neubauer Heinrich Brune, ein Friedrichsauer Einwohner ,sich selbst einen Bauernhof. Auch mit Anliegersiedlungsland wurden in unser Dorf viele Bauern berücksichtigt.

Auch der Jungbauer, Erich Günther, übernahm eine Siedlerstelle, die er aber von seines Vaters Hof aus bewirtschaftete.

Da nun unsere Gemeinde 89 schulpflichtige Kinder hatte, mußte eine zweite Lehrkraft eingestellt werden, eine Lehrerin.

Unsere Pfarrstelle war längere Zeit vakant gewesen. 1946 wurde sie wieder durch Pastor Steuk besetzt, dieser Pfarrer zog aber im Herbst 1947 in die Westzone und nun kam Pastor Eineke nach Schadeleben, der aber zunächst noch Praktikant war; denn er hatte sein[en] Examen als Pastor noch nicht geleistet. Gottesdienst wurde aber jeden Sonntag gehalten. Im Winter wegen Kohlemangel in der Schule. Die Kirche war in der Ostzone vom Staat getrennt, so daß ihr Unterhalt und Besoldung der Pfarrer von den Kirchengemeinden bestritten werden mußte. Auch im Gemeindewesen war nichts anders geworden.

In unserer Gemeinde wurden beschäftigt: 1 besoldeter Bürgermeister, 1 Sekretär, 2 Damen als Schreibkräfte und 1 vollbesoldeter Gemeindediener. Im Sozialwesen wurden 44 Schrä[e]bergärten eingerichtet. Letztere bekamen hauptsächlich die Umsiedler. Außerdem gab es außer der Gemeindevertretung, 1 Solidaritätsausschuß, 1 Sozialausschuß, 1 Umsiedlerausschuß, 1 Wohnungskommission, 1 Baukommission und eine V.D.G.B. Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe. Politisch bestand hier eine SED und eine LDP. Versammlungen fanden von den vielen Organisationen sehr viel statt.

Auch ein Gesangsverein wurde am 25. März 1948 wieder ins Leben gerufen (Volkschor). Die Verbundenheit der Kernbevölkerung mit den Umsiedlern war gut. Einzelne Mißstände sind auch vorgekommen. Auch die Feuerwehr war wieder neu gegründet. Sie zählt 24 Mitglieder. Die russische Besatzung kümmerte sich wenig um diese Angelegenheiten, verlangte aber, daß ihre Befehle befolgt wurden. Dieser Befehl bezog sich hauptsächlich auf die Ablieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse.

Am 3. Januar 1948 wurde dem Bürgermeister Reinhold Blumenberg das Vertrauen der Gemeindevertretung entzogen und Friedrich Schierhorn zum Bürgermeister gewählt.

Die Ernte 1948 war mit gut zu bezeichnen. Um das Abgabesoll der Gemeinde gerecht zu verteilen, wurde am 6. Dezember begonnen, die ganze Flur zu bonetieren. Durch die starke Abgabe von Vieh war der Bestand an Rindvieh und Schweinen stark zurückgegangen. Aus diesem Grunde hatte der Bürgermeister Schierhorn mit dem Geschäftsführer der Gegenseitigen Bauernhilfe Dannenberg, am 15. Dezember 1948, 79 Stück Ferkel aus der Altmark geholt. Das Abgabesoll für Rindvieh und Schweine soll ab 1. Januar 1949 auf den Hektar gelegt werden. Am 1. Januar 1949 wurde das ehemalige Günthersche Gastzimmer als Schulzimmer benutzt. Die Lehrerin, Fräulein Busse, erteilte auch in der russischen Sprache Unterricht. Aber vor allem sollte in dem neuen Schulzimmer die jüngere Schulklasse unterrichtet werden. Religionsunterricht durfte von den amtlichen Lehrkräften nicht mehr gegeben werden. Für den Religionsunterricht war ein besonderer Lehrer zuständig, der von den Kirchengemeinden besoldet wurde. In unserer Gemeinde gab ein Lehrer Ollendorf aus Gatersleben Religionsunterricht. In der Kirche, bei den Gottesdiensten, war der Lehrer Fleischhauer als Organist tätig.

Durch die umsiedlerbedingte höhere Einwohnerzahl unserer Gemeinde, war auch eine erhöhte Sterbeziffer zu vermerken, so daß von der Gemeinde westlich vom Dorfe ein neuer Friedhof bereitgehalten wurde. Viele ältere Einwohner kauften sich nun auf dem alten Friedhof eine Grabstelle für 20,- DM, um noch auf dem alten Friedhof beerdigt werden zu können. So sind viele Familiengräber auf dem alten Friedhof entstanden. Es sei hier vermerkt, daß der östliche Teil vom Friedhof das dritte Mal benutzt wird seit der Gründung unseres Dorfes 1753.

Auch auf sozialem Gebiet wurde unsere Gemeinde verbessert. Am 8. 5. 1946 wurde eine Gemeindeschwester eingestellt. Am 27.2.1947 wurde das Schützenhaus als Schulkindergarten der Kleinkinderschule übergeben. Z. Zt. werden 40 Kinder im Kindergarten betreut.

Um in der Verwaltung der Gemeinde die Demokratie zur Geltung zu bringen, gab die Gemeindevertretung am 24. März 1950 einen Rechenschaftsbericht. Im Kalenderjahr hatte die Gemeinde im Haushaltsplan den Betrag von 36727, 50 DM, im Jahr 1950 47880,- DM als Einnahmen und Ausgaben zu verzeichnen.

Die Gemeinde zählt am 24.3.1950 546 Einwohner.

Da nach einer Verfügung der Bürgermeister hauptamtlich tätig sein sollte, legte am 30. Juni 1950 Friedrich Schierhorn sein Amt als Bürgermeister nieder. Der II. Rat, Wilhelm Peileke, übernahm nun die Geschäfte als Bürgermeister. Der III. Gemeinde Rat, Otto Wehrstedt, trat ebenfalls zurück und Herrmann Erdmenger wurde zum III. Gemeinde Rat gewählt.

Am 2. September 1950 wurde ein Herr Sliwinzky[i] aus Nachterstedt von der Gem. Vertretung mit 4 Stimmen zum Bürgermeister für Friedrichsaue gewählt. Diese Wahl bestimmte eine Verfügung der Kreisleitung von der SED.

Am 1. April 1950 wurde die zweite Lehrerstelle von Herrn Heinrich Fabinger besetzt. Die Lehrerin, Fräulein Busse, war nach Köln übergesiedelt.

1951 wurden 6 Schrebergärten auf dem Horenburgischen Grundstück neben dem ehemaligen Schulacker vergeben, so daß die Gemeinde 50 Schrebergärten vergeben hat. Auch auf dem Galgenberg wird noch im kleinen Acker gartenartig bewirtschaftet.

Da nach einer Verfügung alle Gemeinden unter 2000 Einwohner keine eigene Kasse führen dürfen und einen Barbestand von nur 50,- DM halten können, wurde durch diese Entlastung im Gemeindebüro der Sekretär Jukow entlassen, am 31.12.1950.

Ab 1. Januar 1951 ist nur noch der Bürgermeister Gerhard Sliwinski[y], Landwirtschaftliche Abteilung Otto Kuntze und Ilse Schneider im Büro tätig. Letztere hat das restliche Kassenwesen zu leiten. und Marken – und Kartenwesen

Am 1. August 1951 wurde der Bürgermeister Sliwinsky nach Westerhausen versetzt und Hermann Erdmenger als Bürgermeister gewählt. Ab 1. Januar 1952 mußten die letzten Jahrgänge der hiesigen Volksschule die Schule in Schadeleben besuchen. In Schadeleben lehrte der Lehrer Fabinger , in Friedrichsaue Lehrer Fleischhauer.

( Randbemerkung: Ab 1.I.52 ist im Güntherschen Hause kein Schulzimmer mehr. )

Im Februar 1952 wurde in der Schadeleber Schule eine Schüler Speiseanstalt eingerichtet, wo die Kinder warmes Mittagessen erhalten.

Im hiesigen Kindergarten, der am 17.2.1947 im Schützenhaus eingerichtet wurde, sind ab 1951 zwei Kindergärtnerinnen tätig. Ferner wurde 1951 unter die Gärten am Nachterstedter Wege ein Sportplatz für die FDJ eingerichtet.

1952 im Mai wurde die westliche Verbindungsstraße zwischen Chausseestraße und Brunnenstraße neu gepflastert. Ein besonderes Interesse für unser Dorf zeigte Richard Marscheider jun. Schon 1939 hatte der junge Mann am Dorfteich Pappelbäume angepflanzt, so daß der Dorfteich ein[em] Schmuckstück gleicht. 1952 wurde von Marscheider auf dem Kirchplatz eine Eiche angepflanzt, somit wurde auch hier von Marscheider der Dorfschmuck verbessert.

Im Jahr 1953 wurde die Landstraße von Gemeinde innerhalb der Ortslage mit Obstbäume bepflanzt. Am Westausgang des Dorfes mit 100 Kirschbäume, Mitte des Dorfes und Ostausgang mit 130 Apfelbäume. Die alte Bepflanzung des Straße war mit den Jahren vertrocknet und eingegangen.

Im Juni 1953 wurde das Kirchendach umgedeckt. Da viele Ziegeln schlecht waren, wurden 3000 neue Ziegeln mit eingedeckt. Die Dacharbeit mit Material kostet 1819,63 DM. Ausgeführt von Karl Hulsik, Gatersleben.

Am 4., 5. u. 6. Juli 1953 feierte Friedrichsaue sein 200jähriges Bestehen. Den 4. Juli abends 19.45 Uhr Festgottesdienst 21 Uhr Umzug mit Fackeln. Den 5. Juli 6 Uhr Wecken durch 1. Tambour ½ 10 Uhr hielt Lehrer Fleischhauer eine Ansprache, in der er den Verlauf mit allen Vorkommnissen von Friedrichsaue schilderte. Anschließend großer Umzug in dem Festwagen mit den Geräten aus alter Zeit ausgerüstet waren. 1 Trupp Jugend mit Sensen und Harken schön geschmückt folgten. Alte Leute wurden in Kutschen mit dem Umzug durch das Dorf gefahren. 10 Musiker waren die Kapelle.

Am dritten Tage war Frühstück auf dem Festplatz im Zelt. Der Festplatz war unter die Gärten auf dem neuangelegten Sportplatz. Sonntag den 5. Juli war am Nachmittag Fußballspiel und am Montag den 6. Juli Nachmittag Kunstreiter der Bauern.Alle drei Tage wurde des Abends getanzt. Es sei noch bemerkt: Alle drei Tage war der Festplatz sehr stark besucht. Alle umliegenden Dörfer waren vertreten. Die Witterung war auch günstig.

Im Herbst 1953 wurden von der Gemeinde 300 Obstbäume angepflanzt. 140 Kirschen, 80 Birn- und 80 Apfelbäume. Galgenberg, Graseweg und Sportplatz wurden bepflanzt so auch alle fehlenden Bäume auf der Landstraße innerhalb der Ortslage.

1954 wurde die Kirche außen und innen der Putz ausgebessert und innen Decke und Wände gestrichen.

Im Jahre 1954 wurde auch die Schulgasse und der Fußweg an der Hofmauer des ehemaligen Rittergutes gepflastert. Ferner wurde der Kindergarten vergrößert, indem man anbaute.

Die landwirtschaftlichen Betriebe haben sich in den letzten Jahren verbessert. Die Ackerwagen der Bauern haben Gummibereifung. Mehrere Bauern haben einen Trä[e]cker. Die Genossenschaften haben Mähdrescher.

Viele Bauern und auch Arbeiter fahren ein Motorrad, und fast alle Kinder haben ein Fahrrad.

1955 war die Getreideernte durch den vielen Regen schlecht, die Kartoffelernte war sehr schlecht. Die Zuckerrübenernte war gut, aber die Rüben hatten wenig Zucker. Futterrüben wurden auch gut geerntet.

Vom 1.4. bis 15.4. 1956 stand das Gemeindebackhaus leer. Am 15. April kam von Schadeleben ein Bäcker und backte für die Gemeinde das Brot.

Im Jahr 1956 wurde das Dorf verschönert, indem man auf dem Kirchplatz, längs des ehemaligen Rittergutes, jetzt L.P.G., und auf dem Sportplatz, außer Bäume Hecken mit Schmucksträucher anpflanzte v. Richard Marscheider, jun.

Am 9.6.1956 übernahm ein neuer Bürgermeister mit Namen Heinz Last die Gemeindegeschäfte. Der Mann ist von Aschersleben nach hier gezogen.

Den 21. u. 22. 7. feierte Friedrichsaue sein Heimatfest. Am 21. 7. war von 20 Uhr ab Tanz und am 22.7. morgens Frühstück Nachmittag Kindertanz und Schießen, bei dem Heinz Last Schützenkönig wurde. Abends Umzug und anschließend wieder Tanz. Das Fest war sehr gut besucht.